Der «Triple-Overload»
Anfangs Jahr liess mich Beat Bühlmann, General Manager EMEA @ Evernote am #DiFe Community Lunch aufhorchen.
Bühlmann spricht in seiner gehaltvollen Präsentation vom «Triple-Overload*)», der schnell zur Übermüdung und Ineffizienz von Mitarbeitenden führen kann. Seine Lösung für das Dilemma vom Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem: Ein «Team-Kommunikations-Ausweis»!
Auf den ersten Blick dünkt es mich etwas übertrieben. Ich bin keine Freundin von vielen Regeln.
Auf den zweiten Blick gefällt mir die Idee sehr gut:
Beat erkennt, dass der Informations-Overflow ihn und sein Team daran hindert, produktiv zu sein und die nötige Balance im Arbeitsalltag zu finden. Und: er tut auch gleich etwas, dem entgegen zu wirken. Zusammen mit seinem Team definiert er – ähnlich einem Fahrausweis – eine Kommunikations-Charta. Die Einfachheit seiner Idee überzeugt mich, deshalb habe ich ihn um ein paar Antworten gebeten. Das Interview habe ich schriftlich geführt.
Gemeint ist 1.) ein Data-Overload, . 2.) Ein Communication Overload, und 3.) ein Cognitiver Overload. Alles zusammen führt unweigerlich zu einer hohen Ineffizienz, Ermüdung und Unzufriedenheit (Kündigung).
Beat, ein «Team-Kommunikations-Ausweis». Wie bist Du auf die Idee gekommen?
Durch «denken». Einmal pro Woche erlaube ich mir einen einen DNS-Slot (DNS: do not schedule), der «deep work» gewidmet ist. Sprich: Unterbruchfreies Lesen, Überlegen, Herausforderungen aufzuzeichnen, um sie besser zu verstehen usw.
Bei einer solchen Session hatte ich die Idee der Analogie: Fahrausweis fürs Autofahren => Kommunikationsausweis für die Team-Effizienz und Team-Happiness, denn ohne gewisse Grundregeln geht’s einfach nicht.
Tönt nach einer einfachen Idee mit Schlagkraft.
Klar: Der Entscheid ist nicht nobelpreiswürdig, aber er muss einmal gefällt werden.
Von welchem Entscheid reden wir hier konkret?
Ganz einfache Regeln - welche im Team vereinbart werden:
- Muss man am Abend Emails lesen und/oder beantworten?
- Darf man spät E-Mail schicken oder nicht?
- Meetings ohne Agenda?
- Was wenn Leute nicht vorbereitet kommen?
- Was wenn niemand die To-Dos verbindlich notiert
- Wer-Was-Bis Wann?
- ...
In meinem Buch über Virtual Team Management, das Resultat meines berufsbegleitenden Doktorats, hatte ich bereits die theoretischen Grundlagen für Teamkommunikation erforscht. Über die letzten 10 Jahre ist der Kommunikations-Wahnsinn jedoch kontinuierlich und so stark angestiegen, dass ich mit dem Triple-Overload-Konzept inkl. Team-Kommunikations-Ausweis einfach noch eins nachlegen musste.
Evernote passt hier also bestens ins Konzept?
Absolut. Stepan Pachikov (Evernote Gründer) suchte nach einer «extension of your brain», und das ist heutzutage noch viel wichtiger und dringender als vor 10 Jahren. Im Gegensatz zu einer Datenbank oder anderen Dateitypen ist Evernote ein Workspace für strukturierte und unstrukturierte Daten, die mit AI (Artificial Intelligence) und Machine Learning (ML) miteinander verknüpft werden. Oder einfacher gesagt: man kann so arbeiten, wie man will – man muss sich von Limitierungen von Datenbankstrukturen oder Dateityp-Begrenzungen eingrenzen lassen. Das macht Teams und Einzelpersonen deutlich produktiver.
Und was tut ihr, damit das Ganze nicht zu „overengineered“ daher kommt sondern, tatsächlich die gewünschte Leichtigkeit im Arbeitsalltag bringt und auch umsetzbar ist?
Das ist eine wichtige Frage. Die für mich wichtigsten Elemente:
a) keep it simple
b) es muss von den Leuten selber kommen.
Kannst Du eine Praxis-Anleitung geben?
Klar! So haben wir das bei Evernote gemacht.
- Team & Whiteboard. Der Team-Leader bleibt draussen.
- Das Team trägt zusammen «was an der gemeinsamen Arbeitsweise gefällt, was nicht?»
- Wieder mit dem Leader im Raum werden nun gemeinsam (=> wichtig fürs Buy-In) alle Punkte adressiert und gelöst – manchmal natürlich mit guten Kompromissen.
- Der gemeinsam kreierte Code-of-Conduct (oder Team-Kommunikations-Ausweis) kommt ins Intranet, wird ausgedruckt und in den Meetingräumen aufgehängt.
Wie hat sich die Kommunikation im Office verbessert, seitdem ihr die «Lizenz zu kommunizieren» bei Evernote eingeführt habt? *)
Einerseits sehen wir das in der Mitarbeiterumfrage, die wir 1x pro Quartal durchführen. Diejenigen Fragen, welche die Team-Zusammenarbeit, Team-Effizienz, Missverständnisse, Input-vs-Output usw. abdecken, sind deutlich in die Höhe geschnellt. Darüber hinaus haben wir im Zürcher Team deutlich die besten Mitarbeiterumfrage-Resultate weltweit. Das ganze Team ist stolz darauf. Zu guter Letzt bekomme ich von meinen Teammitgliedern im wöchentlichen 1to1 direktes Feedback, wie sich die Zusammenarbeit im Office ganzheitlich verbessert hat – man sieht’s und spürt’s!
*) Beat hat mir angeboten, sein Team direkt um eine Meinung zu bitten. Das hab ich bisher nicht gemacht, aber vielleicht mag ja jemand vom Evernote-Team darauf reagieren und über die Erfahrungen berichten.
© - Autorin: www.isabelle-sailer.ch