Einheitliche Themen-DNA trotz unterschiedlicher Rollen.

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PATRICK COMBOEUF, STUDIENGANG-LEITER,
FINTECH & BLOCKCHAIN ECONOMY, HWZ

Von Patrick Comboeuf will ich wissen, welche Überzeugung ihn dazu treibt, unterschiedlichste Hüte zu tragen, die ihn als Berufs- und Privatmensch auszeichnen und wie er die Themen-DNA beschreibt, die sein breit gefächertes Tätigkeitsfeld zusammenhält. Zudem spricht er darüber, warum der von ihm verantwortete Studiengang “Fintech & Blockchain Economy” noch lange nicht “gut genug” ist, aber dennoch jetzt schon mit zu den Besten gehört.

Isabelle:
Patrick, Moneytoday - wo du u.a. als Associate Editor tätig bist - beschreibt Dich als "einen der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz." Gleichzeitig bist du auch als Mr. Blockchain für die HWZ unterwegs. Kommst Du gut klar, mit dem Tragen dieser unterschiedlichsten Rollen-Hüte?

Patrick:
Was für eine tolle Frage zum Einstieg. Sie wirft auch ein Schlaglicht auf eine der grössten Herausforderungen, die sich die Schweizer Gesellschaft in absehbarer Zukunft stellen muss.

Welche sind das?

Ich glaube , dass vor allem Wissensarbeiter generell immer öfter mehrere Hüte tragen werden und auch sollten. Die Zeiten, wo Mann (Frau war hier ihrem XY-Chromosom-Gegenüber stets etwas voraus) eindimensional von der Wiege bis zur Bahre auf demselben Karrierepfad marschierte, ist schneller vorbei, als manchem lieb sein dürfte. Und das ist gut so.

Zurück zur Hutfrage:

Ich bekenne mich heute offen zu dieser intellektuellen Promiskuität . Das ist zwar mitunter anstrengender als fokussiert in einem einzigen  Job zu wirken, aber es ist gerade in Bezug auf Begegnungen und Erfahrungen auch extrem bereichernd. 

«Ich glaube, dass vor allem Wissensarbeiter
generell immer öfter mehrere Hüte tragen.
Damit bekenne mich heute offen zu dieser
intellektuellen Promiskuität»

Patrick Comboeuf


 

Bestimmt aber gibt es so etwas wie einen roten Faden? Einen einheitlichen Treiber?

Egal in welcher Rolle ich unterwegs bin. Was mich antreibt und leitet, trägt stets dieselbe DNA. Ich vermittle mitunter unangenehme Wahrheiten in einer meist bekömmlichen Form, trage mit Fakten, Insights und Analogien zu ausgewogeneren Konversationen bei und erzähle den Menschen gehaltreiche Geschichten, die hoffentlich zum Denken sowie am Ende zum (Anders-)Tun anregen.

«Ich vermittle mitunter
unangenehme Wahrheiten in einer meist bekömmlichen Form»

Patrick Comboeuf

Ich bleib nochmals bei den Hüten:
Welcher davon sitzt am besten?

Ich kann mich sehr glücklich schätzen, drei gesunde Kinder zu haben. Mein Sohn im Kindergarten, den ich hälftig im Co-Parenting betreue, fordert mich aktuell sicher mehr als meine beiden erwachsenen Töchter. Aber habe ich letztere deshalb weniger lieb? So ähnlich geht es mir mit meinen Hüten. Als Gig-Economist, der damit seinen Lebensunterhalt bestreitet, muss ich irgendwann natürlich Prioritäten setzen. Dann verzichte ich wohl oder übel auf ein paar angetragene Pro-Bono Mandate, teilweise auch contre-coeur. Aber ich beuge so vor, meinen Fokus zu verlieren.

Ja. Das sind Themen, die wir alle kennen, die wir Privatleben und Arbeit vereinen. Mir hilft es jeweils, nach möglichst vielen Synergien zu “fahnden” und so mein Wirken zu optimieren. Ist das bei Dir ähnlich?

Ja! Unbedingt. Zum Glück gibt es zwischen meinen Engagements an der Hochschule, als Chronist bei Moneytoday.ch und meinen Mandaten als Moderator, Motivations-Speaker oder Workshop-Leiter sehr viele Synergien.

 
 
Patrick Comboeuf in unterschiedlichen Rollen. Immer an der Schnittstelle von Mensch und Technologie

Patrick Comboeuf in unterschiedlichen Rollen. Immer an der Schnittstelle von Mensch und Technologie

Welche Themen liegen Dir besonders am Herzen? Blockchain? Finanzmarkt Schweiz? E-Commerce? Oder gibt es noch ganz andere Bereiche, die ich gar nicht wahrnehme?

Ich bin seit fast 30 Jahren an der Schnittstelle von Technologien und Menschen.

Natürlich gibt es das eine oder andere Thema, welches mir besonders am Herzen liegt. Bloss weil sich die grossen kommerziell ausgerichteten Beratungshäuser nur am Rande mit Inklusion / Diversität, Digitaler Ethik, Fussgängersicherheit im Zeitalter der autonomen Mobilität oder Medienkompetenz für Senioren (& Junioren) befassen, sagt das nichts über die Virulenz dieser Themen aus.

Du verantwortest u.a. den Studiengang an der HWZ "CAS Fintech & Blockchain Economy". Ihr seid letztes Jahr gestartet. Bist Du zufrieden mit dem Verlauf?

Zufriedenheit bedeutet Stillstand und das bringt wiederum Unzufriedenheit. Wie kann man also überhaupt jemals vollends zufrieden sein? Es mag pathetisch klingen, aber ich habe den Anspruch, mich und mein Tun stets weiter zu entwickeln. Bei Fintech und Blockchain stehen wir immer noch recht am Anfang der Entwicklung - vergleichbar mit ‘diesem’ Internet Mitte der 90er Jahre.

 
 



Wie lautet demnach Dein persönliches Geheimrezept?

Vermeintliche Wahrheiten und laute Expertenmeinungen nehme ich stets ‘with a pinch of salt’, hinterfrage kritisch allzu reisserische Verlautbarungen und nutze die Evaluationsberichte seitens der Studenten konkret zur Optimierung des Curriculums des Lehrgangs.

Auf welche Feedbacks der Studierenden könnt ihr bislang zurückgreifen?

Obwohl die Feedbacks der Pionierklasse ausnehmend positiv ausgefallen sind, wollen wir uns nicht allein darauf stützen. In den Gesprächen mit der Blockchain Community aber auch im Austausch mit etablierten Unternehmen aus Industrie, Gewerbe und natürlich dem Finanzdienstleistungssektor haben wir wertvolle Impulse erhalten. Diese helfen uns, den im Mai 2020 startenden Lehrgang noch besser auf die Bedürfnisse der Teilnehmer, vor allem aber der Wirtschaft auszurichten.

Wozu sind Studierende nach Abschluss in der Lage?

Die diplomierten Fintech- und Blockchain Ökonomen werden sowohl fachlich als auch vom Mindset her in der Lage sein, ihre Organisationen federführend und umsichtig in eine von Ecosystemen sowie von Ko-operationen mit Startups geprägte Zukunft zu navigieren. Dabei können auch nach dem Abschluss des Lehrgangs auf ein tolles Netzwerk von Expert*innen aus der Faculty und vor allem ihren Mit-Studierenden zählen.

Ist der Frauen/Männer-Anteil ausgeglichen?

Leider ist der Frauenanteil mit knapp 1/3 wie vielerorts noch etwas unter dem erwünschten Soll. Es ist mir ein persönliches Anliegen, irgendwann eine ausgewogene Diversität in Bezug auf Gender, Alter sowie beruflicher & kultureller Hintergründe zu schaffen.

Wie wollt Ihr das hinkriegen?

Die Zeit spielt uns hier in die Hände: Die Inklusion von Menschen mit Diversität in ihren Lebensläufen ist ein Wachstumsimperativ. Unternehmen, welche Diversität als unangenehme aber hoffentlich bald vorübergehende Modeerscheinung betrachtet, werden sehr bald Probleme kriegen. Neben dem oft beklagten Fachkräftemangel verspricht die aktiv gemanagte Inklusion des anderen Geschlechts, unterschiedlicher Generationen und Ausbildungswegen auch spannende Lösungsansätze für die bessere Akzeptanz von neuen Produkten und damit höhere Profitabilität.

Ihr sprecht in der Studiengangausschreibung von der "Entmystifizierung des Hypes Blockchain". Was ist mystisch an diesem Thema? Sorgt ihr demnach für einen Reality-Check?

Viele Hypes kommen und gehen. Alle paar Wochen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Monumentale Paradigmenwechsel jedoch sind eher rar. Vor allem aber werden sie in der Regel erst in der Retrospektive Jahre oder Jahrzehnten in ihrer umwälzenden Macht wirklich begriffen.

Beispiel?

Johannes Gutenberg hat mit seiner Buchdruckmaschine zwar kurzfristig nur ein paar Mönche arbeitslos gemacht (oder positiv betrachtet in die Bierbraukunst getrieben). Aber er hat damit auch den Grundstein gelegt für die Alphabetisierung der Bevölkerung, die Schaffung des modernen Schulwesens und damit die Schliessung der Wissenslücke. Auch das Internet wurde zu Beginn ausserhalb der Akademie (und der Pornoindustrie) kaum in seiner ganzen monumentalen Disruptionskraft verstanden, welche weit über die Just-in-Time Informationsverteilung hinausgeht.

“Mit Blockchain lösen wir das Wertschöpfung-vernichtende Vertrauensprobleme nicht mehr über teure Intermediäre sondern über dezentrale, kryptographisch verschlüsselte Technologien. “
Patrick Comboeuf

Für Blockchain-Anfänger und all jene, die sich eine einfache Erklärung von Dir erhoffen: welches Problem wird denn mit der Blockchain-Technologie überhaupt gelöst?

Mit Blockchain lösen wir das Wertschöpfung-vernichtende Vertrauensprobleme nicht mehr über teure Intermediäre sondern über dezentrale, kryptographisch verschlüsselte Technologien. Wie oft bei solch grundlegenden Umwälzungen tun sich sowohl die (Nerd-)Community aber auch die etablierten Unternehmen schwer, sofort die richtige Balance zwischen radikaler Innovation und der Veränderungsbereitschaft der Märkte bzw. Menschen zu finden.

Es geht bei Etablierung der neuen Technologie demnach wie so oft um Vermittlung, Erklärung und Aufklärung?

Ja.
Das ist eine wichtige Aufgabe. Wer wenig weiss, muss viel glauben.

Woran machst Du Deine Einschätzung fest?

Da möchte ich gerne Bundesrat Ueli Mauer zitieren. „Für eine kleinräumige Volkswirtschaft ohne natürliche Ressourcen, dafür mit einem berechenbaren Polit- & Rechtssystem, sind dezentrale Ecosysteme ein wichtiger Hebel zur Wohlstandssicherung. #BlockchainNationSwitzerland ist deshalb viel mehr als eine Vision sondern ein Pakt mit der Zukunft.“ Diese Aussage unseres Finanzministers untermauert die intellektuelle Öffnung von Führungskräften aus Finanzwesen, Verwaltung und der Industrie:

Die Schweiz braucht demnach Vordenker und -macher, die sich dieser grossen Aufgabe annehmen. Aber was braucht es konkret dafür?

Ich könnte jetzt einfach erwidern: Aktualisiertes Fachwissen, ein besseres Verständnis ökonomischer Zusammenhänge und Gewandtheit in der Anwendung von zentralen Hebeln zur Verzahnung innovativen Ideen mit kreativen Menschen und Partnern mit Kundenreichweite sowie etwas Investitionsbereitschaft . Der Post-Graduate Zertifikatslehrgang ‘Fintech- & Blockchain Economy’ schafft dafür eine einzigartige Plattform. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit.

Genauso wichtig ist der Mut, neues zu lernen und vermeintlich bewährtes zu entlernen. Die Erfolgsrezepte der Vergangenheit stehen dem Fortschritt oft im Weg.
Patrick Comboeuf

© - Autorin: www.isabelle-sailer.ch
Titelbild: Boris Baldinger